22. 11. 2022
22. 11. 2022

22. 11. 2022

Es ist recht kalt geworden, nachts unter minus 20° und es reichten drei oder vier Tage aus, um den Fluß so zufrieren zu lassen, daß sich nun die ersten Angler auf dem Eis tummeln. Mit riesigen Korkenziehern sind die ausgestattet, mit denen bohren sie die Löcher durch die Eisdecke. Bis zum Ende des Winters wird das Eis hier leicht einen halben Meter dick, jetzt dürfte das jetzt noch recht einfach vonstatten gehen, das Loch zu bohren. Dann sitzen die überwiegend älteren Herren auf einem Hocker, Klappstuhl, einem Holzklotz und warten mit einer Angelschnur in der Hand auf anbeißende Fische, meistens Barsche. Die gefangenen werden einfach im Schnee neben dem Angler gelegt und sie sind innerhalb kürzester Zeit hartgefroren.

manchesmal streife ich ehrfurchtsreich und halb nostalgisch um den Kühlschrank mit den belgischen und den deutschen Bieren im Supermarkt des Nachbardorfes

Und ich habe ich auch schon ältere Herren mit schwerster Schlagseite vom Angelplatz an Land torkeln sehen. Mit oder ohne Fische. Doch was für eine Ruhe, sich in dieser Kälte dem Wind vollkommen ungeschützt auszusetzen und seinen Gedanken nachhängen zu können ohne Belästigungen durch die Zivilisation. Und obendrein vielleicht auch noch ein paar Fischlein mit nach Hause nehmen zu können.
Und ich kann nun wunderbarerweise wieder damit beginnen, auf diesen riesigen Eisflächen lange lange Gänge zu machen. Wenn ich diagonal über den Zusammenfluß von Sylwa und Tschussowaja gehe, sind es bis zum anderen Ufer geradeaus mehr als zehn Kilometer. Und da pfeift der Wind….. Ich habe dazugelernt und werde nicht mehr mit Walenki, den traditionellen Filzstiefeln auf dem Eis rumlaufen. Denn unter einer Schneeschicht, die es jetzt allerdings noch gar nicht gibt, läuft oft Wasser auf dem Eis, an manchen Stellen knietief. Das ist dann nämlich nicht ungefährlich, zwei Stunden vom warmen „daheim“ entfernt bei minus 30° oder kälter nasse Füsse und vollgesogene Filzstiefel anzuhaben, wenn man durch die Schneeschicht durchbricht und im Wasser steht.
Nun, solche Sorgen hat man in Deutschland nicht. Dafür ist dort immer noch Maskenpflicht. Was für ein apokalyptisches Bild vor meinem geistigen Auge.
Deshalb werde ich jetzt noch etwas, zumindest mich hat es erheitert, Lustiges oder Heiteres aus Deutschland schreiben, um dieses schändliche Bild von meinem geistigen Auge zu vertreiben:
Ich hatte mal Bekanntschaft mit einem Autor, Schriftsteller, der in Pfaffenhofen an der Ilm lebt. Ein recht bekannter Buchautor, zumindest war er das vor zwanzig Jahren. Bachmann-Preisträger, Stipendiat war er auch mal in Baden-Baden, da lernte ich ihn kennen. Stadtrat von Pfaffenhofen. Dieser Autor war bei mir in Baden-Baden als Gast und er hatte sich nach der Ankunft in meinem Haus sehr schnell sehr vollgepumpt mit Alkohol und anderem, was zum Beispiel das Führen eines Kraftfahrzeuges erschweren oder verunmöglichen würde. Ich erzählte dem Schriftsteller von Rußland, wie es da so sei, von Leuten, Menschen und dem, was ich dort so an Kultur anstelle. Und so sagte ich ihm auch, einfach so zum Spaß, daß ich den Russen von dem wunderbaren bayerischen König Ludwig erzählte. Diesem Schöngeist und Technikfreak, der den Richard Wagner förderte, Neuschwanstein baute, keine Kriege geführt hat und der wohl auch schwul war. Und als Technikfreak, so ich zu Kopetzki, habe er, der König Ludwig, die weltweit erste gummibereifte Kutsche besessen, und in dieser Kutsche saß der König bei vollmondlichen Ausflügen, fast geräuschlos nächtens durch das oberbayerische Voralpenland fahrend. Und der Kutsche vorgespannt keine lärmenden Pferde mit Hufgetrappel. Nein! 130 stramme bayerische Bauernburschen zogen die Kutsche. Barfuß. Jeder von denen hatte eine Karotte in seinem Arsch, von der aus ein Silberkettchen fein possierlich zur Kutsche führte, dort befestigt war…. Da wurde der Kopetzki sofort sehr laut und sehr böse, daß ich die bayerische Heimat so verunglimpfen würde, außerdem sei das ja ein totaler Quatsch, technisch gesehen. Denn nie und nimmer könne das funktionieren. Keine Mohrrübe würde das halten können.. Ich widersprach. Es entwickelte sich nun ein technischer Streit zwischen uns. Dieser eskalierte und wir machten deshalb eine Wette: Wenn es mir gelingen würde, mit einer Mohrrübe zwei Kilogramm Gewicht zu halten, ohne daß diese Mohrrübe Schaden erleide, so hätte ich gewonnen. 50.-€. Wenn die Mohrrübe das nicht schafft, muss ich ihm das bezahlen. Ich befestigte an einer Mohrrübe eine dieser Schlauchschellen, welche man zuschrauben kann. Und dann hängte ich zu meines Kontrahenten Schande ein Fünf-Kilogramm-Gewicht an die Mohrrübe. Sie hätte auch zehn Kilo ausgehalten. Als der Schriftsteller das sah, nahm er, sich selber mit häßlichen Worten kommentierend, den Fünfziger aus seinem Geldbeutel. Er knüllte ihn zusammen und warf ihn mir vor die Füße. Dann legte er sich hin und schlief sofort ein.
Und jetzt lebe ich in Rußland, kann immer noch kein einziges Schimpfwort auf Russisch sagen und ob hier jemand solche Geschichten lustig findet oder nicht, das kann ich nicht sagen. Eher nicht, glaube ich.

Ein Kommentar

  1. Sascha Gesang

    😂 So eine dieser Geschichten, die Zuhörer mit ihren Gedanken, Bildern, Fantasien beschäftigt zurücklassend … z.B. vom anderen Ende der Rübe, gegenüber jener 5 Kilo. 🤔

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